Forschungsansatz

Der Systemische Ansatz ist nicht allein einem Forschungsparadigma und einer einzelnen Theorie verpflichtet, sondern nutzt vielmehr unterschiedlichste Forschungstraditionen und Theorien, um der Komplexität menschlichen Lebens gerecht werden zu können.

 

In Bezug auf die Praxis haben sich bei Systemikern verschiedene Haltungen und Orientierungen etabliert, die dazu dienen, die Kunden/Klienten mit ihren Fragen und Ressourcen im Blick zu behalten und ihnen neue Möglichkeiten zu eröffnen. Diese Aspekte sind zusammengefasst auf der Seite: Was bedeutet „Systemisch“?

 

Nachfolgend erhalten Sie einen Überblick, was wir unter „Systemischer Forschung“ verstehen und in welchen Feldern wir diesbezüglich tätig sind.

Mittels systemischer Forschung können sehr unterschiedliche Felder empirisch untersucht werden. Mögliche Forschungsfelder sind:

 

  • Beruflicher Arbeitskontext
  • Unternehmen/Organisationen
  • Bildungsbereich
  • Gesundheitssektor
  • Institutionalisierte Beratung
  • Kinder- und Jugendhilfe
  • Psychotherapie

 

Bestimmte wissenschaftliche Paradigmen sind in der Lage, die jeweils einzelnen Perspektiven zu erfassen. Demgegenüber möchte der Systemische Ansatz verschiedene theoretische Traditionen integrieren und für Forschung und Praxis nutzbar machen. Zentrale systemische Grundlagentheorien und Forschungsbereiche sind unter anderem:

 

  • Kommunikationstheorie
  • Systemtheorien
  • Chaostheorie/Synergetik
  • Beratungsforschung
  • Bindungsforschung
  • Neurobiologie/Hirnforschung

 

Grundsätzlich ist jeglicher Forschungsansatz, der neue Perspektiven eröffnet, in der Lage, im Rahmen systemischer Forschung genutzt zu werden. Dabei gilt es jedoch die Komplexität menschlicher Lebenswirklichkeit zu erhalten und angemessen zu reduzieren (vgl. Ochs/Schweitzer 2012).

 

Zentral in der Systemischen Forschung ist es gerade auch, die zirkulären Aspekte der Lebenswirklichkeit zu erfassen und zu beschreiben. Dabei sind neben quantitativen Ansätzen gerade die qualitativen Methoden der empirischen Sozialforschung anschlussfähig neue Erkenntnisse zu entwickeln.

 

Qualitative Methoden empirischer Sozialforschung stellen dabei keine einheitliche Methode dar, vielmehr handelt es sich hier um einen Sammelbegriff verschiedener methodischer Ausrichtungen. Dabei kann als zentrale „Pragmatik qualitativer Sozialforschung“ (Lamnek 1995, S. 21 ff.) benannt werden:

 

  • Offenheit der Forschung
  • Forschung als Kommunikation
  • Prozesscharakter von Forschung und Forschungsgegenstand
  • Reflexivität von Gegenstand und Analyse
  • Zirkularität
  • Explikation und Flexibilität

 

Diese Darstellung ist nicht als abschließend zu verstehen, vielmehr ist Forschung immer in Interaktion mit der jeweiligen Fragestellung weiter zu entwickeln. Hier können die Forschungsprinzipien nur skizziert werden. Die einzelnen Aspekte sind nicht als getrennt voneinander zu verstehen, sondern lediglich analytisch voneinander zu unterscheiden:

 

Offenheit der Forschung gilt dabei sowohl gegenüber den untersuchten Personen und Systemen, gegenüber der Situation der Untersuchung, als auch bezüglich der jeweiligen genutzten Methoden. Ziel von qualitativer Forschung ist es, neue Zusammenhänge erschließen zu können. Der Blick der Forschung soll also durch standardisierte Forschungsinstrumente nicht eingeschränkt werden.

„Qualitative Sozialforschung legt das Schwergewicht auf die explorierende Felderkundung, die bei Anwendung standardisierter Techniken ohne Erkundungsphase meist sträflich vernachlässigt wird.“ (ebd. S. 22).

 

Forschung als Kommunikation bedeutet, dass Forschung gleichzeitig immer auch Kommunikation ist und die Regeln der Kommunikation entsprechend im Forschungsprozess zu berücksichtigen sind. In der qualitativen Forschung ist dabei die Kommunikationsbeziehung grundlegend. Von neutralen Messinstrumenten ist also nicht auszugehen und den kommunikativen Regeln des Alltags gilt es die jeweilige Situation der Forschung anzunähern.

 

Die Prozesshaftigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der jeweilige Ablauf des Forschungsprozesses auch veränderbar ist. Dabei sind die sozialen Phänomene des Forschungsgegenstands auch als Prozesse zu verstehen, die keine feststehenden Entitäten darstellen. Das Erkenntnisinteresse der Forschung richtet sich in diesem Zusammenhang vor allem auf die Deutungsmuster und Handlungsmuster, die sich gleichfalls prozesshaft verändern können.

 

Reflexivität bezieht sich sowohl auf den Gegenstand der Forschung als auch auf die jeweilige Analyse. Nach Lamnek (1995) ist die Reflexivität im Analysegegenstand schon enthalten, während sie in der Analyse als eine Forderung gilt. Im interpretativen Paradigmas wird dabei den Bedeutungen von menschlichen Verhaltensprodukten eine prinzipielle Reflexivität unterstellt. Das reflexive Verweisen einer Bedeutung auf alle anderen Bedeutungen würde für das Verständnis von Verhalten immer auch ein Verstehen des jeweiligen Kontextes voraussetzen.

 

Daraus ergibt sich Zirkularität, die als fruchtbarer hermeneutischer Zirkel (vgl. Gadamer 1960) verstanden werden kann im Gegensatz zu einem unfruchtbaren logischen Zirkel. (Zur Zirkularität vgl. auch Kromrey 2009, S. 105).

 

Explikation im Forschungsprozess bedeutet, die einzelnen Schritte zu dokumentieren und darzulegen. Das, was in der Forschung geschieht, wird also neben der Dokumentation der Ergebnisse ebenfalls offengelegt.

 

Flexibilität in der Forschung heißt mit Unvorhergesehenem aktiv umzugehen. Vor allem wenn das Forschungsfeld nicht sehr bekannt ist, besteht dabei die Möglichkeit, mit neuen Erkenntnissen kreativ umzugehen und sie für die weitere Forschung zu nutzen.

 

Bohnsack (2003) bezeichnet empirische Sozialforschung auch als Rekonstruktive Sozialforschung, die von nicht-empirischen Ansätzen abgegrenzt werden kann:

„Empirische Wissenschaften unterscheiden sich von nicht-empirischen Wissenschaften dadurch, dass in ihnen lediglich solche theoretischen Aussagen Anerkennung finden, die einer Nachprüfung durch die Erfahrung prinzipiell fähig sind. Das ist das so genannte Abgrenzungskriterium, welches die empirische Wissenschaft abgrenzt vom Alltag, aber auch von Mathematik und Logik.“. (ebd. S. 13)

 

Der hier dargelegte systemische Forschungsansatz ermöglicht es flexibel auf die jeweilige Forschungsfrage einzugehen und neue Erkenntnisse zu forcieren. Hypothesen entwickeln und testen kann mit der sinnvollen Kombination qualitativer und quantitativer Methoden erfolgen.

 

So ist es möglich, auch komplexen Fragestellungen aus der Praxis mittels systemischer Praxisforschung nachgehen zu können.

 

Verwendete Literatur:

  • Bohnsack, Ralf (2003): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Opladen
  • Gadamer, Hans-Georg (1960): Wahrheit und Methode. Tübingen
  • Kromrey, Helmut (2009): Empirische Sozialforschung. Modelle und Methoden der standardisierten Datenerhebung und Datenauswertung. Mit ausführlichen Annotationen aus der Perspektive qualitativ-interpretativer Methoden von Jörg Strübing. Stuttgart
  • Lamnek, Siegfried (1995): Qualitative Sozialforschung. Band 2. München
  • Ochs, Matthias/Schweitzer, Jochen (Hrsg.) (2012): Handbuch Forschung für Systemiker. Göttingen